Wir sind am 2. Weihnachtsfeiertag mit unseren zwei Kindern nach Tallinn in Estland geflogen. Tallinn ist die Hauptstadt des nördlichsten und kleinsten Landes im Baltikum. Es war für uns die erste Reise ins Baltikum und wir freuten uns sehr über ein neues Reiseland für uns alle!
In Estland leben ca. 1,3 Millionen Menschen. Davon leben allein in Tallinn ca. 438.000 Menschen. Als wir über Estland geflogen sind, haben wir gesehen, wie dünn besiedelt das Land ist. Die zweitgrößte Stadt ist Tartu, die drittgrößte Stadt ist Narwa.
70% der Bevölkerung sind Esten, es gibt eine bedeutende russische Minderheit (ca. 22%) und eine kleine finnische Minderheit.
1940 okkupierte Russland Estland und die Estnische Sozialistische Sowjetunion wurde gegründet. 1991 wurde Estland von Russland unabhängig. 2004 trat Estland der Europäischen Union bei.
Wir haben Estland mit einem Mietwagen erkundet. Die Straßen sind sehr gut ausgebaut und auf den Schnellstraßen sind 110 km/h erlaubt. Außerhalb der Ballungszentren kamen wir sehr gut und schnell voran. Es war immer wenig Verkehr.
Tallinn
Wir sind mit der Airline Ryanair von Berlin nach Tallinn geflogen. Nach nur 90 Minuten Flugzeit sind wir 21:30 Ortszeit in Tallinn gelandet. Der Flughafen hat einen schönen Spielplatz, was perfekt für unseren Weiterflug nach Riga war.
Philipp hat unseren Mietwagen abgeholt. Alles verlief schnell und reibungslos. Anschließend sind wir 10 Minuten in unser Ferienhäuschen gefahren. Wir hatten eine eigene Sauna und konnten jeden Abend gemütlich ausklingen lassen.
Wir haben unseren ersten Tag genutzt um die Altstadt von Tallinn zu erkunden. Es hat wirklich so viel Spaß gemacht, durch die sehr gut erhaltenen Mittelaltergassen zu schlendern. Die alten Stadtmauern, viele Kathedralen und Kirchen und die uralten Kopfsteinpflastergassen nahmen uns mit auf eine Zeitreise.
Tallinn bedeutet übersetzt „dänische Stadt“. Sie war und ist eine wichtige Hansestadt. Direkt am finnischen Meerbusen, an der Ostsee gelegen und nur 88 km von Helsinki entfernt, machen Tallinn ebenso zu einem interessanten Anlegehafen für Kreuzfahrtschiffe. Zwischen Tallinn und Helsinki fahren tägliche Fähren, die die beiden Städte in nur 2,5 Stunden miteinander verbinden. Ideal um Tallinn ebenso mit einem Tagesausflug nach Helsinki zu verbinden. Wir haben die Weihnachtsferien 2023 in Finnland verbracht und u.a. auch Helsinki bereist.
Unser erster Halt waren der Kanonenturm „Kiek in de Kök“ (Blick in die Küche). Das Wort ist ein Überbleibsel der deutsch-dänischen Herrschaft. Die Wachmänner scherzten damals damit, dass sie von ihrer Position aus, bis in die Küchen der umliegenden Häuser schauen konnten. Bis 1889 war Deutsch sogar Amtssprache in Tallinn. Der 38 m hohe Kanonenturm sollte die Stadt vor Angriffen schützen. Heute ist es ein Museum, welches besucht werden kann.
Wir schlenderten anschließend an der Stadtmauer entlang. Es gibt in Tallinn zwei Stadtmauern, eine für die Oberstadt und eine für die Unterstadt. Dabei gelangten wir zu verschiedenen Stadttoren, die damals nachts geschlossen wurden.
Wir gelangten auch zum Sauna Turm. Dieser wurde so genannt, da sich neben dem Stadttor eine Sauna befand.
Wir besichtigten die Alexander-Newski-Kathedrale. Sie ist eine russisch-orthodoxe Kathedrale, markant sind ihre klassischen Zwiebeltürme. Im Innern der Kathedrale wird nahezu alles auf Russisch geschrieben. Gold und viele Gemälde schmücken die Kirche.
Am Kohtuotsa Aussichtspunkt hatten wir, trotz Nebels, einen tollen Ausblick auf die Altstadt, mit ihren vielen Kirchtürmen, der markanten Stadtmauern und der Ostsee.
Ein weiterer schöner Aussichtspunkt ist die Patkuli Aussichtsplattform. Hier eröffnet sich auch ein großartiger Ausblick auf die Altstadt.
Am Viru Stadttor befindet sich ein McDonald’s und viele weitere Cafés und Restaurants. Zudem ist es eine sehr beliebte Gegend mit vielen Geschäften. Die Straße war weihnachtlich geschmückt.
Die Drei Schwestern ähneln der Häusergruppe der Drei Brüder in Riga, Lettland. Die Häuser stammen aus dem 14. Jahrhundert und wurden früher als Speicherhäuser genutzt. Eine Legende besagt, dass ein Kaufmann die drei Häuser für seine drei Töchter errichten ließ. Heute befindet sich ein 5 Sterne Hotel in dem Gebäudekomplex.
Zoo Tallinn
Wir besuchten den riesigen Zoo in Tallinn. Die Lage am Stadtrand von Tallinn und mitten im Grünen ist perfekt für einen wundervollen Tag.
Wir haben den ganzen Tag im Zoo verbracht. Das Highlight waren für uns die fünf Eisbären, die sich unweit des Eingangs befinden. Sie spielten vergnügt im Wasser und genossen sichtlich die Kälte und den Schneefall.
Im Zoo gibt es über 350 verschiedene Tierarten. Wir sahen Uhus, Geier und Adler aus aller Welt. Das Tigergehege ist ein riesen Highlight, denn die Tiger können von einem Gehege ins Nächste über einen Tunnel gelangen. Unter dem Tunnel konnten wir hindurch laufen und den Tigern ganz nah sein.
Es gibt ein Tropenhaus mit Krokodilen und eine Regenwaldausstellung. Mittels einer Animation und der entsprechenden Geräuschkulisse fühlten wir uns im kalten, verschneiten Tallinn, wie im Regenwald.
Es gibt mehrere Spielplätze und Stege, die über Teiche führen. Dabei können Enten gefüttert werden. Zudem gibt es einen Streichelzoo und einen kleinen Zug, der jedoch nur im Sommer fährt.
Es gibt zwei Ein- und Ausgänge für den Zoo und am Nordeingang stehen gratis Parkplätze zur Verfügung.
Erwachsene zahlen 8,20€ Eintritt. Kinder bis zum Vorschulalter zahlen keinen Eintritt. (Stand Januar 2025)
Rocca al Mare Freilichtmuseum
Das estnische Freilichtmuseum wurde am 22. Mai 1957 auf dem ehemaligen Gelände eines Sommergutshofes „Rocca al Mare“ errichtet. Es liegt unweit von Tallinn und gleicht einem riesigen Dorf aus vergangenen Zeiten. Insgesamt stehen dort 80 Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die allesamt der estnischen Landarchitektur entstammen.
Wir bestaunten ehemalige Bauernhäuser, Gutshöfe, eine Schule, Kapelle, Dorfladen, Windmühlen, Fischerhäuser und Saunas. Es war so spannend die unterschiedliche Architektur der Bauernhöfe zu sehen. Diese unterscheiden sich von Westestland zu Nordestland, der Region um den Peipussee und der Inselregion von Hiiumaa und Saaremaa.
Wir konnten in einige Bauernhäuser hinein und sahen wie die Menschen damals lebten. Meistens war eine Museumsmitarbeiterin in traditioneller Kleidung in den Häusern und erklärte uns zudem einiges zur Geschichte.
Die für Estland einzigartigen Riegenhäuser konnten wir auch begutachten. Die ersten bekannten Riegenhäuser stammen aus dem 14. Jahrhundert. Die estnischen Bauern gehörten zu den nördlichsten Ackerbauern. Aufgrund der Kälte im Winter, benötigten sie gut beheizbare Räume um das Getreide zu trocknen. Das Besondere an den Riegenhäusern ist, das sie unter einem Dach eine Stube und einen Getreidetrocknungsraum mit großem Ofen innehaben. Es gibt eine Dreschtenne um das Korn zu dreschen. Diese dient ebenfalls zur Unterbringung der Tiere im Winter.
Interessante Fakten haben wir auch über die Schule und die Bildung zur damaligen Zeit gelernt. Die Schule existierte von 1877 bis 1923. Die Schulbildung begann im Alter von zehn Jahren und dauerte zwei Jahre, später drei. Das Schuljahr ging von Mitte Oktober bis Mitte April. Die restliche Zeit des Jahres mussten die Kinder auf den Bauernhöfen mitarbeiten. Gelernt wurde Schreiben, Rechnen, Lesen, Russisch, optional Deutsch, Weben und Gärtnerei. Die Kinder kamen aus einem Umkreis von 6 km. Für manche Kinder war die Entfernung zu Fuß im Winter zu weit und sie übernachteten daher unter der Woche im Schulhaus, im Kinderzimmer der Kinder des Lehrers. Im kleinen Klassenzimmer wurden 60 Kinder unterrichtet. Später wurde auch Unterricht für ältere Kinder angeboten. Dieser fand jedoch nur einmal pro Woche statt.
Auf dem Areal gibt es auch einen Kindermitmachbauernhof. Viele Mitmachstationen und ein Stall mit Ziegen, Schafen, Truthähnen, Hasen und Hühner erfreute besonders unsere Kinder. Das Leben der damaligen Kinder auf den Bauernhöfen in Estland wurde lebendig!
Auf dem gesamten Areal gibt es viele Spielplätze und Mitmachstationen.
Das Freilichtmuseum liegt direkt an der Ostsee und ein Weg führt an der Steilküste entlang. Wir sahen den industriellen Hafen von Tallinn und einen Strand.
In den Toiletten gibt es Wickeltische und gratis Windeln.
Wir zahlten 12€ pro Person in der Nebensaison. Kinder unter 8 Jahren sind gratis. In der Hauptsaison liegen die Preise bei 16€ pro Person. (Stand Dezember 2024)
Nach unserer Rückreise von der Insel Hiiumaa sind wir wieder Richtung Tallinn gefahren und hatten einen tollen Loft in Mustamäe, einem Vorort von Tallinn. Die Unterkunft hatte einen Fitnessraum und ein Spielzimmer.
Narwa – Grenzstadt zu Russland
Narwa liegt im äußersten Nordosten von Estland und grenzt direkt an Russland, lediglich getrennt durch den Grenzfluss Narva. Die erste Erwähnung Narwas stammt von 1240. 1345 erhielt Narwa Stadtrechte.
Narwa ist die drittgrößte Stadt in Estland mit ca. 56.000 Einwohnern und gilt als Zentrum der russischsprachigen Minderheit in Estland. 95% der Bevölkerung in Narwa gehören dieser Minderheit an. Alle Beschilderungen sind auf Estnisch und Russisch.
Im 2. Weltkrieg wurde Narwa nahezu vollständig zerstört und historische Bauten wurden nicht wieder aufgebaut. Das Stadtbild ist daher dominiert von typischen russischen Plattenbauten.
Die russische Grenzstadt Iwangorod war von 1918 – 1940 auf estnischem Territorium. Nach der russischen Okkupation 1940 und der Gründung der Estnischen Sozialiatischen Sowjetrepublik wurde der Fluss Narva als Grenze der Unionsrepublik Estland und Russland festgelegt. 1991 wurde Estland erneut unabhängig von Russland und seit dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahre 2004 ist Narwa europäische Außengrenze.
Wir wanderten an der Uferpromenade entlang, schauten die ganze Zeit gespannt auf Russland, das so nah und gleichzeitig so fern ist. Auf beiden Seiten der Brücke „Eesti vanim betoonehitis“ finden Grenzkontrollen statt mit einer ungefähren Wartezeit von 3 Stunden. Ein schneller Abstecher nach Russland war nicht drin. An der Promenade gibt es Spielplätze, Cafés, eine Sonnenuhr und zahlreiche Sitzmöglichkeiten.
Wir liefen auf estnischer Seite um die Grenzkontrollen herum und besichtigten die Hermannsfeste, eine Festung des Deutschen Ordens, eine Nachfolge der Ritterorden zur Zeit der Kreuzzüge. Die Festung kann besichtigt werden. Dort befindet sich das Narwa Museum. Die Hermannsfeste wurde Mitte des 13. Jahrhunderts von den Dänen gegründet. 1345 verkauften die Dänen die Festung, Narwa und Ostestland an den Deutschen Orden. Im Laufe der Jahrhunderte war die Hermannsfeste im schwedischen und russischen Besitz.
Gegenüberligegend in Russland befindet sich die Festung Iwangorod. Sie wurde 1492 unter der Herrschaft des damaligen Zaren Iwan III erbaut. Die Festung sollte die Machtstellung Russlands zur Ostsee stärken und gleichzeitig eine Verteidigungsanlage gegen den Deutschen Orden sein, der das Baltikum beherrschte.
Auf dem Peetri Platz befand sich ein großer Weihnachtsbaum und viele Busse und Taxis. Dort kommen auch alle an, die die Grenzkontrollen geschafft haben.
Interessant ist, dass wir kein russisches Netz rein bekamen, obwohl wir so nah an Russland waren. Die Grenze wird gut bewacht. Es gibt Wachposten auf russischer Seite und der Grenzzaun beginnt direkt an der Festung Iwangorod. Auf estnischer Seite, haben wir noch nie so viele Kameras gesehen wie in Narwa. Der Grenzfluss Narva fließt zudem ziemlich schnell.
Ein Ausflug nach Narwa lohnt sich definitiv, auch wenn wir dafür 2 Stunden Anreise von Tallinn hatten. Grenzen begeistern mich total und ich finde, besonders stark kontrollierte Grenzen interessant.
Jägala Wasserfall
Der Jägala Wasserfall ist der höchste Wasserfall im gesamten Baltikum, mit einer Fallhöhe von 8m. Im Frühling und Herbst erreicht der Fluss eine Breite von 70m. Unter dem Wasserfall befindet sich eine Höhle mit 6m Durchmesser. Wir hatten Glück und es hatte am Vortag geschneit, sodass wir das Areal um den Wasserfall mit Schnee genießen konnten. Es gibt einen Parkplatz auf jeder Seite des Wasserfalls in unmittelbarer Nähe. Nachdem wir uns den Wasserfall angesehen haben, sind wir noch etwas durch die angrenzenden Wälder geschlendert.
Pirita Kloster
Das Pirita Kloster war ein Kloster für Mönche und Nonnen. Es wurde aktiv genutzt von 1407-1575. Es war das größte im damaligen Livland (Gebiete des heutigen Estlands und Lettlands umfassend) und eines der größten im Norden Europas. Es ist der Heiligen Brigitta gewidmet. Sie wurde als Brigitta Birgersdotter ca. 1303 in eine adlige Familie in Schweden geboren. Mit 13 Jahren heiratete sie Ulf Gudmarsson. Nachdem ihr Mann gestorben war, fand sie eine neue Bestimmung in ihrem Leben. Sie reiste 1349 nach Rom und erhielt einen Ruf von Jesus, dass sie einen neuen Klosterorden gründen sollte. Dies tat sie. 1999 ernannte sie der damalige Papst Johannes Paul II als Schutzpatronin von Europa.
Im Anschluss an unserem Aufenthalt im estnischen Norden, reisten wir weiter auf die Insel Hiiumaa.